Am 21. Januar 1853, dem elften Jahrestag der Ankunft des ersten evangelischen Bischofs in Jerusalem, wurde während einer Gedenkfeier im Berliner Dom die Gründung des Jerusalemsvereins bekannt gegeben. Seine Mitglieder hatten sich zum Ziel gesetzt, „die Vertretung der deutsch-evangelischen Kirche im Heiligen Lande durch Sammlungen von Beiträgen zu befördern und für die innere und äußere Mission unter den Einheimischen jener Gebiete und den daselbst ansässigen und reisenden Deutschen in den bereits gegründeten und noch zu gründenden Pfarren, Schulen, Krankenanstalten und Hospizen thätig zu sein.“
Aufgrund der finanziellen Situation war es dem Jerusalemsverein in den ersten Jahren noch nicht möglich, selbständig im Land der Bibel tätig zu werden. Er unterstützte daher bestehende Einrichtungen in Jerusalem wie z. B. die von Kaiserswerther Diakonissen geleitete Mädchenschule „Talitha Kumi“, das von Johann Ludwig Schneller gegründete „Syrische Waisenhaus“ oder das von der Herrnhuter Brüdergemeine unterhaltene Aussätzigenasyl „Jesushilfe“. Auch wurden seitens des Vereins die evangelischen Gemeinden bzw. die Gehälter der Geistlichen in Alexandrien, Beirut, Jerusalem und später auch in Kairo unterstützt.
1860 konnte in Bethlehem mit der Übernahme der „Missionsstation“ und dem Kauf eines Grundstücks als Friedhof für die evangelischen Christen eine selbständige Arbeit im „Heiligen Land“ beginnen. Bereits 1865 erlangte die evangelische Gemeinde Bethlehem kommunale Selbständigkeit.
Schon bald nach Beginn der evangelischen Arbeit in Bethlehem besuchten Bewohnerinnen und Bewohner des Nachbarortes Beit Jala die Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen in der Geburtsstadt Jesu. Deshalb hielt Missionar Müller in der von Bischof Gobat eingerichteten Jungenschule in Beit Jala seit 1865 eigenständige Gottesdienste und Bibelstunden. Nachdem der Jerusalemsverein diese Schule 1871 übernommen hatte und die Gemeinde auf etwa 35 Familien angewachsen war, wurde zu deren Betreuung am 1. Juli 1879 mit Bsara Canaan der erste arabische Evangelist der deutschen evangelischen Palästinamission eingestellt.
Als 1886 in Haifa über 50 Templer wieder in die evangelische Kirche eintraten, kam es noch im selben Jahr zur Gemeindebildung. In der ständig größer werdenden Gemeinde, zu der auch die 1907 gegründete „Tochterkolonie“ Waldheim in der Nähe von Nazareth gehörte, half der Jerusalemsverein bei der Finanzierung von Schule, Kapelle, Pfarrhaus und Gemeindehaus sowie mit dem Gehalt für einen Lehrer (seit 1890), für einen Pfarrer (seit 1893), für eine Kaiserswerther Diakonisse (seit 1900), die in Haifa und Umgebung lebende arabische Frauen, die in „Talitha Kumi“ erzogen worden waren, betreuen sollte, und für eine Lehrerin (seit 1911).
In Jaffa hatten sich ebenfalls Mitglieder von der „Templergemeinde“ getrennt und wieder der evangelischen Kirche zugewendet. So kam es 1889/90 auch dort und in Jaffa-Sarona zur Gemeindebildung. Die Hilfe des Jerusalemsvereins bestand wiederum in der Bezahlung eines Lehrers (seit 1891), eines Pfarrers (seit 1897) und einer Lehrerin (seit 1911).
Im östlich von Bethlehem liegenden Beit Sahour begann 1901 ein vom Jerusalemsverein angestellter arabischer Lehrer seine Arbeit, nachdem Bischof Gobat bereits seit 1870 dort für regelmäßige Andachten gesorgt und auch die „Church Missionary Society“ gute Vorarbeit geleistet hatte. Wie in Jerusalem, Bethlehem und Beit Jala entstand auch hier eine eigenständige arabische Gemeinde, die bis auf den heutigen Tag existiert.
Als „indirekte Früchte“ der deutschen evangelischen Palästinamission in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts sind die Gründung der arabischen Gemeinden in Ramallah – sie wurde 1958 als selbständige Gemeinde vom Jerusalemsverein anerkannt – und in Amman zu nennen, deren erster Pfarrer dort im Dezember 1980 eingeführt und deren Kirche „Zum guten Hirten“ am 23. August 1987 eingeweiht wurde.
Die Arbeit des Jerusalemsvereins in Palästina trug so zum Wachsen einer einheimischen arabischen evangelischen Kirche bei. Daran beteiligten sich neben den Kaiserwerther Diakonissen in der Schule Taltiha Kumi auch die Schneller Schulen und das Syrische Waisenhaus in Jerusalem. 1959 konstituierte sich die „Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien“ (ELCJ) mit Sitz in Jerusalem, die durch den jordanischen König am 17. Mai 1959 anerkannt wurde. Seit 1975 wählt sie ihren eigenen Bischof und ist Mitglied des Lutherischen Weltbundes. Heute gehören zur ELCJHL sechs Gemeinden in Jerusalem, Bethlehem, Beit Jala, Beit Sahour, Ramallah und in Amman, der Hauptstadt Jordaniens. Die ELCJHL ist ebenfalls Mitgliedskirche des Mittelöstlichen Kirchenrates, einem Zusammenschluß von Christlichen Kirchen des gesamten Mittleren Ostes.