Betet für den Frieden von Jerusalem!

Wöchentliche Friedensgebete per Zoom aus dem Heiligen Land

03.12.2025 | Die Evangelische Gemeinde deutscher Sprache zu Jerusalem ist klein geworden – erst wegen der Corona-Pandemie, dann durch die zwei Jahre Krieg. Gemeinde- und Pilgergruppen bleiben aus, nur wenige einzelne Reisende kommen zu Besuch. Wer für die Botschaft oder eine deutsche NGO tätig war, wurde nach Deutschland ausgeflogen – nur wenige kamen bisher zurück. So kommen sonntags etwa 20 bis 30 Menschen zum Gottesdienst zusammen, hören und singen, hoffen und beten um Frieden.

Es gibt dazu aber quasi eine zweite evangelische Gemeinde deutscher Sprache aus Jerusalem. Am frühen Samstagabend setzten sich Menschen zu einer guten halben Stunde vor ihren Computer oder ihr Smartphone und halten Andacht. Wenige sind dabei im Heiligen Land, die meisten in Deutschland, manche ganz woanders. Alle haben einen Bezug zu Jerusalem und dem Heiligen Land: weil sie eine Zeitlang hier gelebt haben, weil sie dem Gelobten Land und den Menschen hier in Glaube, Hoffnung und Liebe verbunden sind oder weil ihnen die Nachrichten über Terror und Gewalt auf der Seele liegen und sie nicht innerlich abschalten wollen. „Betet für den Frieden von Jerusalem“, heißt es im 122. Psalm. Sie tun es.


Alle Infos zur Teilnahme an den Andachten unter: evangelisch-in-jerusalem.org


Zu Zeiten der Pandemie hatten wir solche „virtuellen Gottesdienste“ schon einmal eingeübt. Jemand aus dem Pfarrteam der Jerusalemer Gemeinde bereitet einen biblischen Impuls vor, gelegentlich übernehmen das auch andere. Da sowieso alle vor einem Bildschirm sitzen und gute Sicht haben, werden häufig Fotos von aktuellen Ereignissen eingespielt, Dokumente zu biblischen Geschichten oder Kunstwerke, die beim Nachdenken und zur Konzentration helfen.

Drei Lieder werden von allen gesungen, wegen der Zeitverzögerung mit geschlossenen Mikrofonen – nur eine oder einer singt in die Runde oder es wird ein Lied per Video eingespielt. Das Gebet Jesu wird dafür so gesprochen, dass alle auch alle hören. Das ist dann nicht synchron, wird aber stark als gemeinsames Sprechen und Rufen zum Himmel hin empfunden.

Vor dem Vaterunser gibt es Fürbitten. Bei ruhiger Hintergrundmusik ist einige Minuten Zeit, Klagen und Bitten, Lob oder Dank in kurze Sätze zu fassen und in die Chat-Funktion zu schreiben. Die anderen nehmen es mit in ihr Gebet, wenn sie wollen. Stark ist dabei, dass viele der Gebetsanliegen direkt auf den geistlichen Impuls zuvor oder auf aktuelle Nachrichten aus Gaza, Israel oder der Westbank reagieren. So entsteht ein Gebet mit vielen persönlichen Noten, das von der versammelten Gemeinde zusammengetragen wird – das ist mehr, als was uns im „normalen“ Gottesdiensten gelingt!

Das Amtskreuz des Propstes von Jerusalem: ein solides Metallkreuz, in der Mitte weist eine Gravur auf Ps. 122,6 hin.

Zum abschließenden Segen reichen wir uns gedanklich die Hände: Wenn alle ihre Hände so vor die Kamera halten, dass sie links und rechts am Bildschirmrand zu sehen sind, ergibt das in der Kombination der Kacheln auf dem Bildschirm eine Art sichtbares Segensband. Das zu sehen ruft uns in Erinnerung, dass wir nicht nur technisch miteinander verbunden sind, sondern durch Gottes guten Geist, der über alle Zeiten und Entfernungen hinweg fest verbindet, was zusammengehört. Davon lebt die Friedensandacht so wie jeder Gottesdienst.

Nach der Friedensandacht ist Gelegenheit, aus der Jerusalemer Gemeinde und vom Leben in Israel und Palästina zu berichten. Es gibt Nachfragen und Ergänzungen. Über die Monate hin lernen sich Menschen kennen, die sonst keinen Kontakt zueinander haben. Viele aus der Gemeinde haben schon für den Sozialfond der anderen Jerusalemer Gemeinde, der vor Ort, gespendet. So wird gemeinsam gebetet und gemeinsam geholfen.

Als Mitte Oktober in Gaza eine Waffenruhe in Kraft trat und dann die Waffen tatsächlich weitgehend schwiegen, gab es gleich mehrfach die Bitte: Lasst uns mit den Friedensgebeten weitermachen! Daraus spricht nicht nur das Misstrauen gegenüber brüchigen politischen Friedensplänen, sondern die positive Erfahrung, so mit dem Heiligen Land und den Menschen hier verbunden zu bleiben.

Joachim Lenz, Propst in Jerusalem

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