Nach neun Jahren als Nahostreferent des Berliner Missionswerkes und damit verbunden als Geschäftsführer des Jerusalemsvereins legt Jens Nieper sein Amt Ende August nieder und tritt zum 1. September eine Stelle als Gemeindepfarrer in Dortmund an.
Die Faszination für Jerusalem packte Jens Nieper schon, als er ein Jugendlicher war. 1984, vor 37 (!) Jahren, besuchte er zum ersten Mal die „Heilige Stadt“ und Israel und Palästina. Als Jugendmitarbeiter schloss er sich der Studienreise seiner Kirchengemeinde an. Zum ersten Mal sah er Jerusalem, den See Genezareth, die Berge Judas und die Negev-Wüste. Er war begeistert. Nun konnte er Kindern und Jugendlichen in Andachten lebendiger darstellen, an welchen Orten die biblischen Geschichten spielten. Er kam wieder und wieder, und das Land der Bibel wurde ihm immer vertrauter. Unzählige Pilgerfahrten, Studienreisen und später Dienstreisen hat er dahin unternommen. Übrigens war er 1984 auch zum ersten Mal in Talitha Kumi gewesen. Auch hier begann eine Beziehung, die bis heute anhält.
Schließlich hat er fast drei Jahre in Jerusalem studiert und gearbeitet. Als sich die Gelegenheit bot, nahm er 1993/1994 an dem Studienjahr der Benediktinerabtei Dormitio teil. Ein Gemeindepraktikum an der Erlöserkirche in der Jerusalemer Altstadt schloss sich im Sommer 1994 an. So knüpften sich Bande, die ihn nach seinem Ersten Theologischen Examen im März 1997 wieder nach Jerusalem zurückzogen. Die Wartezeit auf seinen Vikariatsplatz füllte er bis zum November 1998 mit einem Volontariat an der Erlöserkirche in Jerusalem: als Assistent des damaligen Propstes Karl-Heinz Ronnecker, der ihm auch zu einem praktisch-theologischen Lehrer wurde. In diese Zeit fielen die Vorbereitung und Durchführung des im Oktober 1998 groß gefeierten 100-jährigen Jubiläums der Einweihung der Erlöserkirche sowie eine mehrwöchige Vakanzvertretung des Pfarrers der englischsprachigen Gemeinde der Erlöserkirche.
Als Jens Nieper Pfarrer wurde – zuerst 2001 im westfälischen Haltern und ab 2004 in Marsberg im Sauerland –, hatte er sozusagen immer noch einen Koffer in Jerusalem: Diese Stadt war zu seiner zweiten Heimat geworden. In Jerusalem und dem ganzen Gebiet Israel/Palästina hatte er sich nicht nur für die biblischen Stätten und die Ergebnisse der biblischen Archäologie begeistert – auch das in den verschiedenen Konfessionen und Konflikten gelebte Christsein vor Ort faszinierte ihn. Als ordiniertem Lutheraner fand er in der lutherischen Kirche in Jerusalem, Jordanien und dem Heiligen Land seine engsten Geschwister. Und das Miteinander und die Spannungen der arabischen Christen waren auch zu seiner Welt geworden.
Für den jüdisch-christlichen und für den christlich-islamischen Dialog bot Jerusalem lebendigen Anschauungsunterricht. Die schier unlösbaren politischen Gegensätze zwischen Israelis und Palästinenserinnen und Palästinensern gaben ein Koordinatensystem ab, in dem Jens Nieper zu denken begann. Er fand Gleichgesinnte im Jerusalemsverein und im Westfälischen Kontaktnetz Palästina, das sich eng mit dem Jerusalemsverein verbunden fühlte. So war es ein konsequenter Schritt, dass Jens Nieper im Sommer 2001 zum Vertrauenspfarrer des Jerusalemsvereins für Westfalen berufen wurde. Er versuchte in diesen Jahren in der Westfälischen Landeskirche, das Interesse für den Nahen Osten zu wecken und zu vertiefen, Fundraising für den Jerusalemsverein zu betreiben und die Kontakte zur arabisch-lutherischen Partnerkirche (ELCJHL) und nach Talitha Kumi zu verbessern.
Im Jahr 2007 wurde Jens Nieper Oberkirchenrat im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover und war als Theologischer Referent zuständig für den Nahen und Mittleren Osten sowie für die kirchlichen Weltbünde. In dieser Funktion wurde er auch Geschäftsführer der Evangelischen Jerusalem-Stiftung, der Kaiserin Auguste Victoria-Stiftung und des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft im Heiligen Land (DEI). Er war also der Ansprechpartner der EKD für ihre Einrichtungen in Israel, Palästina und Jordanien. Zu seinem direkten Verantwortungsbereich gehörten nicht nur die Erlöserkirche und das Gästehaus in der Altstadt, sondern auch die Pilger- und Touristenseelsorge sowie das archäologische Institut auf dem Ölberg und in Amman.
Zusätzlich hatte er als Geschäftsführer der Evangelischen Mittelostkommission (EMOK) die Konferenz aller evangelischen Werke und Einrichtungen in Nahost zu koordinieren. Seine Nahosterfahrung und seine berufliche Tätigkeit hatten Jens Nieper zu einem außerordentlich qualifizierten evangelischen Nahostexperten gemacht. Noch im gleichen Jahr wurde er in den Vorstand des Jerusalemsvereins gewählt.
Als Jens Nieper sich 2012 auf die Stelle des Geschäftsführers des Jerusalemsvereins und Nahostreferenten des Berliner Missionswerkes bewarb, war er so gut auf diese Aufgabe vorbereitet, wie es noch keiner seiner Vorgängerinnen und Vorgänger bei Dienstantritt gewesen war. Er konnte sofort mit seinen Aufgaben beginnen. Und die waren reichlich vorhanden. In Talitha Kumi musste der deutschsprachige Zweig ausgebaut werden – damals wurde die Deutsche Internationale Abiturprüfung (DIA) als zweite Option neben dem palästinensischen Tawjihe-Abschluss im Schulzentrum eingeführt.
Seit ihrer Gründung war Talitha zugleich eine deutsche und eine palästinensische Schule gewesen. Doch die Führung einer Schule mit einer doppelten Identität ist nicht einfach und kann auf unterschiedlichsten Ebenen zu Spannungen führen – etwa mit dem Personal vor Ort und gelegentlich mit der Partnerkirche. Aber auch in Deutschland musste das reformpädagogische Konzept der Schule immer wieder erläutert und es musste dafür geworben werden. Jens Nieper wurde mit dem Vorsitz im Schulverwaltungsrat betraut und war das lebendige Bindeglied zwischen Deutschland und Palästina, zwischen der Schule in Beit Jala und dem Schulträger, dem Berliner Missionswerk. Unglaublich viele Reisen nach Israel und Palästina wurden notwendig. Wenn ich in der Geschäftsstelle in Berlin anrief, fragte ich zuerst: „Ist Jens Nieper im Hause oder ist er in Talitha Kumi?“ Gefühlt war er so häufig hier wie dort.
Der Jerusalemsverein verdankt Jens Nieper viel. Seitdem er 2012 die Geschäftsführung übernommen hat, ist ihm gelungen, den Jerusalemsverein sowohl nach außen weiter zu vernetzen als auch die interne Kommunikation zu verbessern. So hat er beispielsweise die regelmäßigen Rundbriefe eingeführt, um den Kreis der Vertrauensleute zu informieren und in seinem Wirken zu unterstützen. Viele der heutigen Vertrauensleute wurden durch Jens Nieper mit dem Jerusalemsverein bekannt gemacht und für unsere Arbeit gewonnen. Die Jahresfeste und die Vorstandssitzungen mussten vorbereitet, durchgeführt und die Beschlüsse umgesetzt werden. Für unsere Zeitschrift „Im Lande der Bibel“ galt es – gemeinsam mit der zuständigen Redakteurin – Jahr für Jahr drei Hefte herauszubringen. Viele Artikel, Berichte, Rezensionen, geistliche Worte und Editorials gehen auf Jens Niepers Konto.
Wir hatten mit Jens Nieper einen höchst engagierten Geschäftsführer. Sein Berufungszeitraum hätte noch bis 2024 gedauert. Ich bedauere Jens Niepers Weggang sehr: Er ist ein großer Verlust für den Jerusalemsverein. Pfarrer Jens Nieper wechselt wieder zurück in seine Heimatlandeskirche, die Evangelischen Kirche von Westfalen. Ab 1. September wird er die vierte Pfarrstelle der Christuskirchengemeinde Dortmund übernehmen.
Wir wünschen ihm für seinen weiteren Berufs- und Lebensweg Gottes Segen. Wir werden ihn noch gebührend aus seinem Amt verabschieden. Wie ich ihn kenne, wird er seiner Leidenschaft treu bleiben und auch weiterhin einen Koffer in Jerusalem haben. Und natürlich hoffen wir, dass er auch mit uns im Jerusalemsverein verbunden bleibt.
Bischof i. R. Dr. Hans-Jürgen Abromeit, Vorsitzender des Jerusalemsvereins