Interview mit neuem Vorsitzenden Wolfgang Schmidt

Wie möchte er das neue Amt angehen? Oberkirchenrat Wolfgang Schmidt wurde am 23. Oktober 2021 zum neuen Vorstandsvorsitzenden des Jerusalemsvereins gewählt. Nach sieben Jahren als Propst an der Erlöserkirche in Jerusalem ist er heute Bildungsreferent der Badischen Landeskirche. Silke Nora Kehl fragte ihn nach seinem persönlichen Bezug zur Heiligen Stadt und seinen Plänen für den Jerusalemsverein.

Herr Schmidt, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt. Was war Ihre Motivation, den Vorsitz des Jerusalemsvereins zu übernehmen?

Ich bin dem Wunsch des Vorstands nachgekommen, mich für dieses Amt zur Verfügung zu stellen. Der Jerusalemsverein stand an der Wiege der arabisch-lutherischen Kirche in Palästina und begleitet diese bis heute partnerschaftlich. Das ist mir ein ökumenisches Herzensanliegen. Partnerschaft mit dieser Kirche habe ich sieben Jahre lang an der Erlöserkirche in Jerusalem sehr unmittelbar gelebt. Vertrauen ist gewachsen. Das ist auch für den Vorsitz im Jerusalemsverein grundlegend. Dazuhin mögen meine eigenen Erfahrungen mit der kirchlichen und politischen Situation im Heiligen Land der Arbeit des Vereins dienlich sein.

Ist Ihr persönlicher Bezug zu Jerusalem – und zum Heiligen Land – bereits vor Ihrer Amtszeit als Propst entstanden?

Zusammen mit meiner Frau war ich mehrfach in Jerusalem, bevor mich die EKD dorthin entsandt hat. Ich war und bin seit meinem Theologiestudium auf vielfältige Weise der weltweiten Ökumene verbunden, habe das interreligiöse Gespräch mit jüdischen und muslimischen Menschen intensiv gepflegt und habe als Gemeindepfarrer und Erwachsenenbildner diverse Studienreisen in den Nahen und Mittleren Osten durchgeführt: „Auf den Spuren der Religionen“, bei denen stets die Begegnung mit orientalischen Christ:innen ein wichtiges Element war. Schließlich gab es auch den Bezug zu dem langjährigen Propst Karl-Heinz Ronecker, der wie ich von Freiburg aus nach Jerusalem zog.

Sieben Jahre waren Sie Propst in Jerusalem. Haben Sie das Gefühl, der Stadt durch Ihr neues Amt nun wieder näher kommen zu können?

Ganz gewiss rückt mir Jerusalem jetzt wieder näher. Wenn man nach sieben Jahren ein Land hinter sich lässt, geht man automatisch etwas auf Abstand, weil man sich im Neuen heimisch macht. So ging es uns. Aber im Herzen sind wir immer mit den Menschen verbunden geblieben, ja, vor allem mit den Menschen! Mit ihnen haben wir so viel Leben und Glauben geteilt. Sie sind es auch, die wir am meisten vermissen. Es ist schön, daran nun auch wieder anknüpfen zu können. Allerdings war ich die zwei Jahre, die wir nun in Deutschland zurück sind, dem Thema Nahost stets weiter verbunden. Meine Erfahrungen wurden und werden in meiner badischen Landeskirche und darüber hinaus vielfach abgefragt.

Haben Sie bereits Pläne, wie Sie das Amt als Vorsitzender gestalten wollen? Wo wollen Sie inhaltlich bei Bewährtem bleiben, in welcher Hinsicht eventuell neue Wege gehen?

Diese Frage beantworte ich gerne nach 100 Tagen im Amt etwas ausführlicher. Zunächst kommt es mir darauf an, im geschäftsführenden Vorstand gemeinsam die Ausrichtung der Arbeit zu besprechen. Ganz wichtig ist die Beziehung zum Berliner Missionswerk und zur Evangelischen Kirche in Berlin (EKBO). Denn bevor ein neuer Geschäftsführer sein Amt antritt, müssen wir klar und transparent unsere Kommunikation geklärt haben und uns unserer gemeinsamen Ziele versichern. Hier gilt es, verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen. Die Unterstützung der Nahostarbeit des Berliner Missionswerkes durch die Einwerbung von Spenden und die Partnerschaft mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL) sind die unveränderlichen Kernaufgaben des Vereins. Über deren Verbesserung und Intensivierung kann man nachdenken. Und natürlich ist und bleibt das Jahresfest ein Highlight im Jahr. Ganz wichtig ist mir auch: Beim Themenfeld Nahost bin ich grundsätzlich um Differenzierung sowie Vermittlung und Verständigung bemüht. Hier vertrete ich klare Standpunkte, Polarisierung versuche ich zu vermeiden.

Wolfgang Schmidt war von 2012 bis 2019 Propst in Jerusalem. Zurzeit lebt er in Karlsruhe.