Osterbotschaft 2025 von Bischof Dr. Sani Ibrahim Azar

22.04.2025 | In seiner Osterbotschaft zeigt sich Bischof Dr. Sani Ibrahim Azar (ELCJHL) zuversichtlich, dass Gott auch in einer Zeit wirkt, die für die Palästinenserinnen und Palästinenser von Besatzung, Vertreibung und eingeschränkter Bewegungsfreiheit geprägt ist. (Mit Fotoalbum: Ostern im Heiligen Land)

„Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sehr früh am ersten Tag der Woche kommen sie zum Grab, als die Sonne aufgegangen war. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie blickten auf und sahen, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.“ (Markus 16, 1-4)

Liebe Schwestern und Brüder, Gnade und Friede sei mit euch aus Jerusalem, der Stadt des auferstandenen Jesus Christus.

Als ich im letzten Jahr meine Osterbotschaft schrieb, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass unser Volk in diesem Jahr erneut die Karwoche und die Osterzeit mitten in einem brutalen und verheerenden Krieg begehen würde. Nach 18 Monaten voller Gewalt und Zerstörung ist die Lage in unserem Land so düster wie nie zuvor.

Wenn Ostern naht, sehnen wir uns nach der Hoffnung der Auferstehung – und doch finden wir uns am Kreuz wieder. Darin erkennen wir uns selbst in der Geschichte der Gefährtinnen Jesu in der ersten Karwoche wieder. Nach der Dunkelheit des Karfreitags berichtet Markus in seinem Evangelium, dass Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle
kauften und früh am ersten Tag der Woche kamen, um Jesu Leichnam zu salben. Doch als sie sich auf den Weg zu seinem Grab machten, beschreibt Markus, wie sie sich sorgten. Sie fragten einander: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“ Der Stein vor der Grabstätte war riesig, viel zu schwer, um ihn allein zu bewegen.

Auch wir stehen heute vor vielen solcher Steine in unserem Leben. Als Palästinenserinnen sehen wir uns den Steinen der militärischen Besatzung, der gewaltsamen Vertreibung und der eingeschränkten Bewegungsfreiheit gegenüber.

Als palästinensische Christ:innen begegnen wir den Steinen der Diskriminierung, der Auslöschung und – da viele unserer Brüder und Schwestern dieses Land verlassen – der Gefahr, als Gemeinschaft zu verschwinden. Diese Steine erscheinen unbeweglich, so wie der Stein vor dem Grab Jesu den ersten Zeuginnen der Auferstehung, palästinensischen Frauen, erschienen sein muss. Wie diese Frauen fürchten wir, dass Jesus hinter diesen Steinen ist – und wir nicht die Kraft haben werden, ihn zu erreichen.

Doch als die Frauen am Sonntagmorgen das Grab erreichten, waren sie erstaunt: Der Stein war bereits weggewälzt. Jesus Christus, der den Tod und das Grab besiegt hat, hatte den Stein schon bewegt.

Wenn wir das Gefühl haben, dass uns die Kraft fehlt, die Steine zu bewegen, die uns beschweren und uns von Gott trennen, dann dürfen wir staunen: Der Christus der Auferstehung hat sie bereits bewegt. Selbst wenn wir ihn nicht sehen – Gott wirkt in unserer Zeit.

Die Steine in unserem Leben sind nicht nur äußerlich. Jeder von uns trägt einen Stein im Herzen, der uns von anderen und von Gott trennt. Wir haben Gott nicht mit ganzem Herzen geliebt und unseren Nächsten nicht wie uns selbst. Doch wir wissen: Durch Gebet und durch unser Bemühen, einander zu verstehen und zu lieben, können auch diese Steine bewegt werden. Wir können Gott näherkommen -und einander. Durch seine bedingungslose Gnade und Liebe wälzt Jesus auch diese Steine fort.

Auch wenn wir ein weiteres Jahr Ostern nicht wie gewohnt feiern können, wollen wir doch die Freude und das Geheimnis von Ostern bezeugen: Christus ist gestorben, Christus ist auferstanden, Christus wird wiederkommen. Wir beten für den Tag, an dem der Stein weggewälzt wird, und wir Zeug:innen der Auferstehung werden. Bis dahin verkünden wir weiterhin die Wahrheit des auferstandenen Christus.

Sein Friede sei mit euch. Gesegnete Ostern. Amen.

Dr. Sani Ibrahim Azar, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL)

Die Karwoche und Ostern im Heiligen Land

Fotos: ELCJHL