25.02.2025 | Im Februar dieses Jahres besuchte Hiam Abu-Dayyeh Deutschland, um über die Lage in Palästina zu informieren. Mit der Leiterin von Abrahams Zelt sprach Sybille Möller-Fiedler, stellvertretende Vorsitzende des Jerusalemsvereins.
Sybille Möller-Fiedler: Herzlich Willkommen in Hamburg, liebe Hiam. Wie war Deine Anreise?
Hiam Abu Dayyeh: Sehr beschwerlich! Als Palästinenserin kann ich nicht von Tel Aviv aus fliegen, sondern muss den Weg über Ammann nehmen. Allein von Beit Jala bis Amman habe ich einen ganzen Tag gebraucht, wegen der Straßensperren und Checkpoints, die in letzter Zeit dramatisch zugenommen haben. Auch an der Allenby Bridge, dem Grenzübergang nach Jordanien, war die Wartezeit lang. Und dann noch 12 Stunden über Istanbul nach Hamburg. Ich war also 36 Stunden unterwegs.
Was bedeuten die Straßensperren für die Menschen?
Ich kann nicht nach Jerusalem fahren, komme kaum noch von Bethlehem nach Ramallah, um meine Schwester zu besuchen. Nach Hebron kommt man nur noch über kleine Seitenstraßen, weil die Siedlerstraße für uns gesperrt ist. Manchmal muss man zwei oder drei Stunden an einem Checkpoint warten. Ganze Ort sind abgeriegelt. Wir haben Angst, weil wir nicht wissen, was kommt, insbesondere jetzt, wo Trump an der Macht ist. Wir haben Angst, dass er erst die Menschen aus Gaza vertreiben will und dann uns aus der Westbank. Seit dem Krieg können Menschen nicht mehr in Israel arbeiten und sie haben kaum Geld. Das ist doch kein Leben!
Was macht das mit den Kindern?
Die Kinder sind sehr belastet, weil die Stimmung so bedrückt ist und sie kaum Möglichkeiten haben, richtig zu spielen. Die Kinder haben Wut, die sie nicht loswerden können. Und wenn das Militär vor Ort ist, kommen die Kinder auch nicht zu Abrahams Zelt, weil die Eltern Angst haben, ihre Kinder auf die Straße zu lassen.

Hiam, Du leitest Abrahams Zelt, eine Einrichtung der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Beit Jala. Was genau macht ihr dort?
Abrahams Zelt ist ein Friedensprojekt, in dem die Kinder Abrahams nachmittags zusammenkommen und gemeinsam Hausaufgaben machen, spielen, malen und tanzen. Wir machen auch Ausflüge. Die Kinder sollen nicht nur lernen, sondern auch Freude haben. Wir wollen ein Ort sein, an dem sie sich wohlfühlen! Zu uns kommen 30 Kinder der Klassen 1 bis 8 aus Beit Jala und umliegenden Dörfern, in etwa gleich viele Jungen wie Mädchen. Es sind christliche Kinder verschiedener Konfessionen und Muslime. Ich würde aber auch Juden aufnehmen, denn wir sind alle Menschen! Letzten Sommer haben wir ein Sommercamp mit 60 Kindern gemacht. Wir waren schwimmen, haben die Geburtskirche besucht und auch die Milchgrotte. Für mich sind die Kinder die Zukunft der Gesellschaft. Die Kinder zu stärken, das liegt mir sehr am Herzen.
Wie finanziert Ihr Euch?
Wir haben nicht viel Geld. Die Teilnehmerbeiträge der Kinder sind sehr gering, denn den meisten Eltern geht es finanziell schlecht. Ich habe Angst, dass die Kirche Abrahams Zelt irgendwann nicht mehr finanzieren kann. Wir sind deshalb von ausländischen Geldern abhängig; insbesondere von reformierten und lutherischen Gemeinden in Deutschland erhalten wir Unterstützung. Dafür sind wir dankbar, aber es ist nicht genug, was reinkommt.
Hiam, was wünscht Du Dir?
Ich wünsche mir Frieden, dass der Krieg aufhört, dass es eine Lösung gibt für das Heilige Land. Dass es anders wird. Dass endlich Gleichberechtigung im Land herrscht. Es kann nicht so bleiben, wir gehen alle kaputt. Man möchte immer Hoffnung haben, stark sein. Aber unsere Kräfte sind erschöpft. Und trotzdem gebe ich nicht auf.
Die stellvertretende Vorsitzende des Jerusalemsvereins, Sybille Möller-Fiedler, traf Hiam Abu-Dayyeh in der Kirchengemeinde Hamburg-Schnelsen, die eine Partnerschaft mit Abrahams Zelt in Beit Jala pflegt.
Hiam Abu-Dayyeh lebt in Beit Jala. Die evangelisch-lutherische Christin ist in Talitha Kumi zur Schule gegangen und hat an der Universität Bethlehem Soziologie und soziale Arbeit studiert. Von 1992 bis 2004 war sie Sozialarbeiterin in der Kirchengemeinde in Beit Jala und hat dann als Reiseleiterin gearbeitet. Seit drei Jahren leitet sie Abrahams-Zelt in Abrahams Herberge.