Tent of Nations: Der gewaltlose Widerstand geht weiter

07.11.2025 | Seit Jahrzehnten kämpft die Familie Nassar um ihr Land, das von völkerrechtswidrigen Siedlungen umgeben ist. Kürzlich wurde ein neuer Außenposten direkt neben ihrem Land errichtet. Eine EAPPI-Teilnehmende hat das Tent of Nations besucht.

Das Tent of Nations bedrängt wie nie zuvor

Sie nennen es Sumud, das arabische Wort für Standhaftigkeit, Durchhaltevermögen und stetige Ausdauer. Und sie sind stolz darauf. Wir besuchen in den ersten Tagen unseres Einsatzes das Tent of Nations (Zelt der Völker), ein christliches Friedenszentrum außerhalb der Stadt Bethlehem.

Das Tent of Nations liegt im sogenannte C-Gebiet, das vollständig unter israelischer Verwaltungs- und Sicherheitskontrolle steht. Daoud Nassar und seine Familie kämpfen seit Jahrzehnten vor israelischen Gerichten für ihre Eigentumsrechte, die ihnen von den israelischen Behörden und Siedlern streitig gemacht werden. Sie haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie ihr 42 ha großes Land behalten können, das seit über 100 Jahren in ihrem Besitz ist. Sie haben dafür einen offiziellen Landtitel, der ihr Eigentumsrecht dokumentiert und beweist.

Mittlerweile ist das Farmland von 5 israelischen Siedlungen umgeben, ein Siedlungsaußenposten – illegale nach internationalem und israelischem Recht – ist gerade im Bau. Dieser besteht bereits aus 15 Häusern und grenzt direkt an das Farmland der Nassars.

In der letzten Woche sind die ersten israelischen Familien in die Wohnblocks eingezogen, es wurden Kameras installiert. Damit ist die tägliche Arbeit auf den Feldern der Familie Nassar unter ständiger Kontrolle, sie fühlen sich unter permanenter Beobachtung.

Es gab bereits Vorfälle von Siedlern, die sich durch das Zerschneiden der Zäune Zutritt auf das Privatland der Nassars verschafft haben. Nicht selten kommen sie zu mehreren und sind bewaffnet; sie schikanieren und schüchtern die Menschen ein. Damit wird die Arbeit auf dem Land zunehmend erschwert und es ist umso wichtiger, internationale Präsenz von Freiwilligen vor Ort zu haben.

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Offener Brief des Jerusalemsvereins an Bundestagsabgeordnete: Christliche Existenz in Israel-Palästina bedroht

Berlin, 18. Oktober 2025

Bald keine Christen mehr im Heiligen Land?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,

wir alle sind erleichtert über die guten Nachrichten aus dem Nahen Osten, dass die Waffen schweigen und dass nach über zwei Jahren alle noch lebenden Geiseln wieder in Freiheit sind. Die Überführung aller toten Geiseln erhoffen wir, sowie dass der vereinbarte Waffenstillstand in einen nachhaltigen Friedensprozess und den Wiederaufbau des Gazastreifens mündet.

Bei allen hoffnungsvollen Zeichen blicken wir – der Jerusalemsverein – auf die besondere Situation der Christinnen und Christen in dieser Region. Seit 173 Jahren pflegt der Jerusalemsverein eine enge Partnerschaft mit der Evangelischen Kirche im Heiligen Land und ist ständig in Kontakt mit den christlichen Geschwistern vor Ort. Was wir hören, macht uns sehr besorgt.

Die zunehmend unerträgliche Lebenssituation, die auf den Menschen (und damit auch den Christinnen und Christen) im Westjordanland lastet, führte insbesondere in den letzten zwei Jahren zu einer massiven Auswanderung christlicher Familien. Auch aus den Kirchen in Jerusalem hören wir aktuell von Bedrängnissen, die uns große Sorge machen.

Der Jerusalemsverein ruft alle im Bundestag vertretenen Fraktionen auf, in ihren Bemühungen um eine Regelung des Konfliktes die in ihrem Überleben gefährdete Minderheit der einheimischen Christinnen und Christen nicht zu vergessen und ihren Einfluss zu nutzen, damit auch künftig christliches Leben im Westjordanland möglich bleibt.

Die Not ist groß. Zwei Jahre hintereinander Weihnachten in Bethlehem ohne Pilger. Und auch zum Osterfest ist kaum jemand nach Jerusalem gekommen. Der Krieg im Nahen Osten hat den Tourismus zum Erliegen gebracht. Die Menschen verzweifeln an den wirtschaftlichen Folgen – und an der Sorge um Verwandte in Gaza. Fast 90 neue Checkpoints allein in der Region Bethlehem haben die Bewegungsmöglichkeiten massiv eingeschränkt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 80%. Die Folgen sind massive psychologische Probleme, deren ganzes Ausmaß erst nach dem Krieg sichtbar werden wird.

Immer mehr Menschen sehen nur in der Auswanderung einen Ausweg. Seit dem 7. Oktober 2023 haben bereits mehrere hundert Christen ihre Heimat verlassen. Der Aderlass der Gemeinden geht an die Existenz der Gemeinden aller Konfessionen. Wir befürchten: Bald wird es keine Christen mehr im Heiligen Land geben!

Palästina, Israel, Heiliges Land: Wie auch immer das Land bezeichnet wurde oder wird: Die Bevölkerung war seit Jahrtausenden multikulturell und multireligiös. Schon in biblischen Zeiten lebten eine Vielzahl von Völkern im Land.

Religiöse und ethnische Vielfalt kennzeichnet auch die heutige Zeit. Juden, Muslime, Christen und Drusen – sie alle sind seit langem im Heiligen Land ansässig und haben das gleiche Recht, in Freiheit und Sicherheit selbstbestimmt dort zu leben.

Als Jerusalemsverein unterstützen wir von unserem Auftrag her unsere christlichen Geschwister vor Ort, aber unsere Sorge gilt allen Menschen in der Region. Wir sehen: Die bestehende Vielfalt ist gefährdet. Die ganze Region kommt nicht zur Ruhe. Die jüdisch-israelische wie die palästinensische Gesellschaft sind stark traumatisiert. An Frieden ist nicht zu denken. Umso mehr ruft der Jerusalemsverein auf, für alle Menschen in der Region zu beten und sich für einen gerechten Frieden für alle Menschen einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Oberkirchenrat Wolfgang Schmidt
(Vorsitzender des Jerusalemsvereins)

Video: Sumaya Farhat-Naser und Sally Azar im Online-Gespräch

25.09.2025 | Unter dem Titel „Glaubensmut in Zeiten des Krieges” sprachen Sally Azar und Sumaya Farhat-Naser auf einer Online-Veranstaltung.


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Der Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 hat eine Eskalation ausgelöst, die das Leben im Heiligen Land bis heute prägt – besonders auch im Westjordanland, wo die Folgen des Krieges in Gaza deutlich spürbar sind.

Sally Azar und Sumaya Farhat-Naser berichten, wie Christinnen und Christen mitten in Gewalt ihren Glauben leben und welche Rolle die Kirchen für eine friedliche Lösung spielen können. Das Gespräch wurde am 18. September aufgezeichnet und von Dr. Simon Kuntze, Nahost-Referent des Berliner Missionswerkes, moderiert. Es ist nun auf YouTube verfügbar >>

Sumaya Farhat-Naser ist seit Jahrzehnten ist eine wichtige Stimme der palästinensischen Friedensbewegung. In ihrer Heimat vermittelt sie mit Methoden der gewaltfreien Kommunikation in Frauengruppen und Jugendseminaren, wie Konflikte gewaltlos gelöst werden können. Ihre Arbeit wird seit Jahren vom Jerusalemsverein und dem Berliner Missionswerk unterstützt.

Sally Azar ist Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL) in Jerusalem. Sie wurde im Januar 2023 als erste Frau in einer Kirche mit Sitz in Palästina ordiniert. Sie hat in Beirut sowie Göttingen und Hermannsburg evangelische Theologie studiert und in Berlin-Frohnau ihr Vikariat absolviert.

Die Online-Veranstaltung ist der erste Teil der Gesprächsreihe „Raum geben oder klare Kante? Kirche in der Zivilgesellschaft“

Trauer um Johannes Friedrich

Johannes Friedrich

09.09.2025 | Der Jerusalemsverein trauert um sein langjähriges Vorstandsmitglied Johannes Friedrich. Am vergangenen Mittwoch, 3. September 2025, ist Johannes Friedrich nach langer Krankheit im Alter von 77 Jahren verstorben.

Von 1985 bis 1991 war der spätere bayrische Landesbischof Propst an der Erlöserkirche in Jerusalem, wo er zusammen mit seiner Frau die deutsche evangelische Gemeinde betreute und als Repräsentant der EKD im Heiligen Land wirkte. Seit dieser Zeit war Friedrich dem Jerusalemsverein als Mitglied eng verbunden und hat sich im Vorstand des Vereins mit großem Sachverstand und mit Leidenschaft für die Beziehungen zu den Christen in Palästina und für deren Unterstützung stark gemacht. Das Leben und Wirken der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land war Friedrich ein Herzensanliegen.

Mit dem Tod von Johannes Friedrich verlieren wir einen Menschen, der die Komplexität der Situation im israelisch-palästinensischen Konflikt aus persönlicher Anschauung kannte und dessen Empathie darum immer den Menschen galt, die unter diesem Konflikt leiden. Seine menschliche Art, seinen politischen Weitblick und seinen Einsatz für Gerechtigkeit und Verständigung haben wir sehr geschätzt. Voller Dankbarkeit erinnern wir uns an die gemeinsame Zeit mit ihm.

Möge sein Weg in der Herrlichkeit Gottes seine Vollendung finden!

Der Familie und insbesondere seiner Frau Dorothea gilt unsere tief empfundene Anteilnahme.

Westjordanland: Rabbis for Human Rights setzen sich für den Zugang zu Wasser ein

Drei Mitglieder der Rabbis for Human Rights stehen im Vordergrund, mit RHR-T-Shirts, mit dem Rücken zum Betrachter. Im Hintergrund ein Tankwagen und eine Wüstenlandschaft.

In den South Hebron Hills sitzen viele Palästinenserinnen und Palästinenser buchstäblich auf dem Trockenen. In der ohnehin von Wasserknappheit geprägten Region kontrolliert Israel, wie in den gesamten Palästinensischen Gebieten, die Wasserwirtschaft. Palästinensischen Gemeinden wird der Zugang zu ihren natürlichen Wasserquellen verwehrt. Wenn sie eigene Zisternen, Brunnen oder Leitungen einrichten wollen, werden in der Regel keine Genehmigungen dafür erteilt. „Illegale” Installationen werden zerstört und Wasserlieferungen mit Tankwagen blockiert. Auch radikale Siedler sabotieren die Wasserversorgung. So fielen Ende Juli Siedler in das Dorf Umm al-Khair ein und versuchten unter anderem, die Wasserleitung zu zerstören. Bei den darauffolgenden Protesten der Dorfbewohner wurde der Menschenrechtsaktivist Awdah Hathaleen von einem radikalen Siedler erschossen.

In den letzten Wochen haben die „Rabbis for Human Rights” (RHR) in den South Hebron Hills 1.000 Kubikmeter Wasser verteilt. Sie versorgten Familien und Dorfgemeinschaften in Ras al-‘Ain, Susya, Wadi al-Rakhim, al-Awsaj, Qisan, Wadi Sa’ir und Umm al-Khair. RHR legt Wert darauf, dass sie keine Geschenke verteilt. Die NGO will das Recht der Einwohner auf Zugang zu sauberem Wasser durchsetzen. Sie betont: „Wasser zu verweigern bedeutet, Leben zu verweigern, und wir dürfen dabei nicht tatenlos zusehen … Der Prophet Jesaja sagt: „Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils.“ (Jesaja 12,3). Wasser ist die Quelle des Lebens. Unser Judentum, die Moral und die grundlegende menschliche Verantwortung verpflichten uns, einer Besatzungsmacht zu widerstehen, die Menschen den Zugang zu Wasser verweigert – und dafür zu sorgen, dass jeder Mensch das Recht auf Leben hat.”

Quellen und Links

Facebook-Seite der Rabbis for Human Rights

Über die Situation in den South Hebron Hills und vergleichbare Zustände im Jordantal berichten regelmäßig auch Teilnehmende des EAPPI-Programms.