Fünf ökumenische Freiwillige leben und arbeiten ein Jahr in der evangelischen Schule Talitha Kumi bei Bethlehem. Die jungen Erwachsenen werden vom Berliner Missionswerk beziehungsweise durch den Verein Brass for Peace nach Palästina entsendet.
Am 14. August 2012 begann für Ann-Marie Dilcher, Cornelius Maaser, Felix Tenbaum, Louisa Braeuer, Nora Müller und mich das Abenteuer „Palästina“. Nach mehreren Vorbereitungsseminaren und Recherche auf eigene Faust dürfen wir jetzt endlich erleben, wovon uns schon so viel erzählt wurde und wovon wir dutzende Fotos von Ehemaligen gesehen hatten. Um uns einen gelungenen Einstieg in die fremde Kultur und das neue Umfeld zu ermöglichen, zeigten uns nicht nur unsere Vorgänger das Schulgelände und die für uns wichtigsten Plätze und Anlaufstellen in der Umgebung. Auch sprachen wir mit dem Schulleiter Talitha Kumis Rolf Lindemann und der neuen Verwaltungsleiterin Angela Grünert über mögliche Einsatzgebiete und außerdem nahmen wir an einem zweiwöchigen Arabischintensivkurs teil. Für uns alle war diese Sprache vollkommenes Neuland und somit die ersten Stunden noch sehr anstrengend. Inzwischen versuchen wir so viele arabische Begriffe in unseren Alltag einfließen zu lassen, wie uns einfallen. Nach und nach nahmen wir unsere Arbeit in der Schule auf und sind inzwischen im Arbeitsalltag angekommen und haben jeder unsere Sparte gefunden.
Louisa: „Ich gehe jeden Tag für zweieinhalb Stunden in den Kindergarten und singe, bastle und spiele dort mit den Kindern, halb auf Arabisch, halb auf Deutsch. Mir gefällt die Arbeit dort sehr, weil die Kinder aufgeweckt sind. Außerdem arbeite ich im zur Schule gehörenden Internat, wo ich mit den Mädchen Hausaufgaben mache und Fußball spiele. Demnächst will ich auch Geigenunterricht anbieten, denn die Musik spielt in Talitha Kumi eine große Rolle.“
Nora: „Zum einen arbeite ich mit Louisa zusammen nachmittags im Kindergarten. Dabei fasziniert mich vor allem, dass wir uns trotz Sprachbarriere mit den Kindern verständigen können. Zum anderen gefällt mir, dass ich auch mit den älteren Schülern zusammenarbeite, zum Beispiel beim Fußballspiel im Internat oder bei der wöchentlichen Nachhilfestunde für die Schüler des Deutschabitur-Zweiges. Das Deutsche Internationale Abitur ablegen zu können, halte ich für eine großartige Chance für die Schüler!“
Ann-Marie: „Ich gehe dreimal die Woche von halb 8 Uhr morgens bis 1 Uhr mittags in den Kindergarten, wo ich zusammen mit der Deutschlehrerin so gut wie möglich versuche, den Kindern auf spielerische Art und Weise die deutsche Sprache näherzubringen. Durch malen, basteln und singen können sowohl die Großen (6 Jahre) als auch die Allerkleinsten (drei Jahre) bereits die deutschen Begriffe für die Farben und die Körperteile. Dadurch dass die Kinder noch fast kein Deutsch oder Englisch sprechen, macht es mir besonders viel Spaß, da ich auf diese Weise selbst schnell Arabisch lerne. Außerdem gebe ich zweimal die Woche für zwei Stunden den Internatsmädchen Hilfestellung bei den Hausaufgaben in Deutsch und Englisch.“
Astrid: „Ich gebe der einzigen blinden Schülerin in Talitha Kumi Deutschunterricht. Lara ist sehr schlau und es macht mir Spaß, mir Aufgaben auszudenken, die den Unterrichtsstoff des Lehrplans beinhalten, für sie aber trotz ihrer Behinderung lösbar sind, im Gegensatz zu vielen Aufgaben, die im Arbeitsbuch vorgegeben sind. Außerdem arbeite ich täglich in der Verwaltung, wo ich einen guten Einblick in das große Gefüge dieser Schule bekomme, und helfe ebenfalls den Internatsmädchen bei ihren Hausaufgaben.“
Cornelius (Brass forPeace): „Felix und ich leiten Musik AGs an drei Schulen: Talitha Kumi, Dar al Kalima und Beit Sahour, in denen die Kinder ein Blechblasinstrument erlernen können. Unsere Arbeit wird durch den Verein „Brass forPeace“seit 4 Jahren kontinuierlich geführt, deswegen gibt es schon sehr verschiedene Leistungsstufen bei den Kindern. Schulübergreifend gibt es ein Ensemble, in dem die Kinder, die schon am meisten können, zusammen-spielen.“
Felix (Brass forPeace): „Letztendlich geht es uns nicht nur darum, den Kindern etwas beizubringen, sondern ihnen eine Freizeit-beschäftigung anzubieten, mit der sie auf lange Sicht eigenständig etwas auf die Beine stellen können.Diese trägt dazu bei, dass kleine Rivalitäten unter den Schulen durch Zusammenarbeit beschwichtigt werden. Obwohl wir anfangs noch einige Sprachprobleme hatten, haben wir die Kinder jetzt schon lieb gewonnen, denn mithilfe der Musik ist nicht nur nonverbale Kommunikation möglich, sondern es fällt uns auch viel leichter, ein friedfertiges Miteinander und ein zielstrebiges Hinarbeiten auf Ereignisse zu vermitteln.“
Wir sind gespannt, wie sich unsere Arbeit über das Jahr weiterentwickeln wird, auf welche Probleme wir noch stoßen werden, welche Lösungen wir finden werden, und was Talitha Kumi letztendlich auch uns beibringen kann.
Astrid Ursprung,
Ökumenische Freiwillige des Berliner Missionswerks in Talitha Kumi