Familien in Beit Jala verlieren Olivenbäume durch den Mauerbau

Salameh Bishara, ein lutherischer Christ aus Beit Jala, berichtet, wie seine Familie den Zugang zu ihren Olivenbäumen verliert.

Einem Palästinenser sind sein Land und der Olivenbaum so heilig wie seine Religion. Ein Stück Land zu verlieren, ist wie ein Stück seines Körpers oder noch schlimmer, Teil der Seele zu verlieren.

Im letzten Jahr entschied Israel, den Bau der Mauer im Tal von Beit Jala fortzusetzen. In diesem Tal gibt es viele Olivenbäume und den berühmten Brunnen Beir Ouna („Brunnen der Unterstützung“). Er wird so genannt, weil er früher der Hauptbrunnen zur Versorgung ganz Beit Jalas war. In den alten Zeiten schöpften aus ihm am frühen Morgen alle Frauen Beit Jalas das Wasser, das sie tagsüber zum Kochen, Backen und Putzen benötigten. Die Entscheidung Israels zog die Rodung von Hunderten von Olivenbäumen und die Konfiszierung Hunderter Dunum (1 Dunum entspricht 1.000 qm) nach sich. Es gab kein Kompensations-Angebot. Solch ein Angebot wäre von den Besitzern aber auch niemals akzeptiert worden. Die Olivenbäume an diesem Ort werden „römische Olivenbäume“ genannt, weil sie schon zur Römerzeit gepflanzt wurden, also über 2.000 Jahre alt sind.

Weil der Großteil des Landes, das dort konfisziert wurde, christlichen Familien aus Beit Jala gehört, fand der Widerstand gegen die Konfiszierung in Form von Gebeten und Andachten auf dem beschlagnahmten Land, inmitten entwurzelter Bäume, statt. Auf diesen friedlichen Protest reagierte die Israelische Armee und Polizei gewalttätig mit Tränengas und Schlagstöcken.

Ich bin ein arabischer, palästinensischer Christ. Ein Christ aus Jesu Zeiten. Ein Christ von Pfingsten her. Ich besitze bei Beir Ouna ungefähr ein Dunum Land; mit neun römischen Bäumen, die meine Familie über Generationen mit Oliven und Olivenöl versorgten. Manchmal haben wir ernsthaft gescherzt, ob die Heilige Familie wohl auf ihrer Flucht nach Ägypten, vor der Tyrannei der Besatzung und aus Angst um ihr Leben unter einem dieser Bäume rastete. Dies ist auch heute für palästinensische Christen durchaus real. Obwohl mein Land nicht konfisziert wurde – es liegt direkt an der Mauer, aber auf der palästinensischen Seite – liegt es in der Pufferzone, die niemand betreten darf. Im letzten Jahr ernteten wir also zum letzten Mal unsere Oliven. Ab jetzt brauchen wir eine Sondergenehmigung, um unsere Oliven zu ernten. Hoffentlich werden wir sie alle paar Jahre bekommen.

Wunderbare Tage der Olivenernte: Die gesamte Familie ist zusammen und in Verbindung mit der Natur, den Bäumen und der Erde. Die ganze Familie macht bei der Ernte mit. In vielen Jahren halfen auch Freiwillige aus Deutschland und den USA.

Es ist an der Zeit – so wie meine Großvater und mein Vater es getan haben – der jüngeren Generation von der Bedeutung des Olivenbaums als heiligem Baum zu erzählen und wie er schon immer und auch heute noch das Hauptelement der palästinensischen Küche ist, mit eingelegten Oliven, Olivenöl, dem Jahresvorrat an Öl für die Familie. Es ist an der Zeit, die Geschichte unseres Landes und die Geschichte der früheren Ernten zu erzählen. Viele Bewohner Beit Jalas haben ihr Land komplett verloren – Sie werden nie wieder ihre eigenen Oliven ernten.

Die Internationale Gemeinschaft hört in den Nachrichten immer von Gewalt und den Zusammenstößen, aber fragt sie jemals, weshalb das passiert? Was die dahinter liegenden Ursachen sind? Die Quelle des Konflikts sind die Besatzung und die Konfiszierung von Land „für die Sicherheit Israels“, etwas, das viel grundlegender und effektiver erreicht werden würde durch Gerechtigkeit für die Palästinenser, durch die Beendigung der Besatzung und der Konfiszierung von Land. Die Völker, die Kirchen und die Regierungen der Welt sollten das Recht des Palästinensischen Volkes auf sichere Grenzen im eigenen Land anerkennen. Palästinenser haben ein Recht auf Sicherheit, ein Recht darauf, nicht beim geringsten Verdacht niedergeschossen zu werden ein Recht darauf, nicht für Monate in Administrativhaft genommen zu werden, ein Recht auf ihr Land und damit Ihre Lebensgrundlage; ein Recht darauf, ihre Kinder nicht durch Gewalt oder durch Immigration auf der Suche nach einem besseren Leben im Westen zu  verlieren.

Palästinenser sollten HOFFNUNG haben auf ein besseres Leben ihrer Kinder. So wie ich.

Dieser Bericht wir in der Ausgabe 2/2016 der Zeitschrift „Im Lande der Bibel“ abgedruckt, die im Juli 2016 erscheint.