21.05.2025 | In Ras Ein al Auja erleben die Menschen nahezu täglich Gewalt radikaler Siedler und das Schrumpfen ihres (Weide)Landes zugunsten neuer illegaler Außenposten. Eine EAPPI-Teilnehmerin berichtet über die Lage vor Ort.
Wir nähern uns einem Familienhaus in Ras Ein al Auja, einer Gemeinde nördlich von Jericho. Ich kann die Erschöpfung und den Stress im Gesicht des Mannes sehen, der uns am Tor begrüßt. Es ist ungefähr 9 Uhr am Morgen des 8. März 2025. Eine Stunde zuvor haben wir erfahren, dass es in der Nacht zuvor einen schweren Angriff von Siedlern unter den Augen der Armee auf die Gemeinde gegeben hat.
Sofort fällt mir auf, dass die Kinder sichtlich verstört sind und sich an ihren Vater Saad* klammern. Er war die ganze Nacht wach und hat vergeblich nach seinen Schafen und Ziegen gesucht. Er erzählt uns, dass am Vorabend gegen 21 Uhr eine große Gruppe Siedler in der Gemeinde angekommen sei und behauptete, sie hätten ihre Schafe verloren. Kurz darauf traf ein größerer Konvoi von Armee- und Polizeifahrzeugen ein. Saad erklärte, dass die Siedler alle Schafe zusammengetrieben und auf Lastwagen verladen hätten, die in der Nähe warteten. Die Gemeinde versuchte, so Saad, aus den Nachbardörfern Hilfe zu rufen, doch die Armee habe entlang der Straße nach Ras Ein al Auja temporäre Checkpoints errichtet, die den Zugang unmöglich machten. Einige Siedler seien mit Gewehren bewaffnet gewesen, die meisten jedoch mit Messern und Knüppeln. Saad zeigte uns Einschlagspuren dieser Knüppel an seinem Haus. UNOCHA dokumentierte[1] Schäden an drei Häusern und an mehreren Solarpanelen. Die Siedler hätten versuchten, in andere Häuser einzubrechen, doch den meisten Familien gelang es, sich darin einzuschließen. Reuters veröffentlichte in einem Bericht[2] über den Angriff Videomaterial israelischer Aktivist:innen der Gruppe Mistaclim (Looking the Occupation in the Eye), die in der Nacht vor Ort bei den Familien waren.
Schätzungsweise 1.500 Schafe wurden laut Aussagen der Bewohner:innen von Ras ein al Auja in dieser Nacht gestohlen. Einem Einheimischen sei ins Bein geschossen worden, ein anderer sei verhaftet (später wieder freigelassen) und eine Frau in ihrem Haus tätlich angegriffen worden. Einige Tiere wurden getötet. Wir sahen ein Bild einer toten jungen Ziege, aufgenommen nur wenige Stunden zuvor von einem Hirten auf der Suche nach seiner Herde. weiterlesen >>
Bre, im April 2025
Den kompletten Bericht auf der Webseite des EAPPI-Netzwerks lesen >>
*Namen geändert
Die Autorin hat für das Berliner Missionswerk am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teilgenommen. Diese Stellungnahme gibt nur ihre persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die des Berliner Missionswerks oder des Ökumenischen Rates der Kirchen sind.
Foto: Alia zeigt uns, wo bis vor Kurzem ihre Tiere untergebracht waren; © WCC-EAPPI/Bre