Der Deutsche Medienpreis 2011 wird in diesem Jahr u.a. an den Hauptreferenten des Jahresfestes des Jerusalemsvereins, den evangelischen Pfarrer von Bethlehem, Dr. Mitri Raheb, verliehen. Media Control, Stifter des undotierten Preises, begründet die Preisverleihung mit einem „Wirken ohne Schlagzeilen“ und als herausragendes „Symbol der Menschlichkeit“. Als Laudator ist Bundespräsident a. D. Prof. Dr. Roman Herzog vorgesehen. Es gibt Stimmen, die Herzog auffordern, diese Würdigung nicht vorzunehmen. Dagegen hat der Vorsitzende des Jerusalemsvereins, Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald), den Altbundespräsidenten in einer Stellungnahme vom 12.02.2012 gebeten, sich von seiner Absicht zur Würdigung Rahebs nicht abbringen zu lassen.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident Professor Dr. Herzog,
in der nächsten Woche wird Pfarrer Dr. Mitri Raheb aus Bethlehem nach Deutschland kommen, um zunächst mit uns, dem Jerusalemsverein in Berlin, das 160. Jahresfest zu feiern, bei dem er predigen und vortragen wird, um dann in der darauf folgenden Woche mit dem Deutschen Medienpreis ausgezeichnet zu werden. Dabei sind Sie – wie bekannt gegeben worden ist – als Laudator vorgesehen. Nun wird seit einigen Tagen Dr. Raheb als „antisemitischer Pastor“ diffamiert und Sie werden aufgefordert, nicht als Laudator aufzutreten. Ich schreibe Ihnen als Vorsitzender des altehrwürdigen, auf preußische Kabinettsorder zurückgehenden Jerusalemsvereins, der heute mit dem Missionswerk der Berlin-Brandenburgischen Kirche zusammenarbeitet. Hauptberuflich bin ich Bischof der Pommerschen Evangelischen Kirche (die im Laufe dieses Jahres mit der Nordelbisch-Evangelisch Lutherischen Kirche und der Mecklenburgischen Landeskirche zu einer großen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland fusionieren wird).
Ich möchte Sie herzlich bitten, sich von den wirklich ungerechtfertigten Diffamierungen, die Dr. Raheb zu erleiden hat, nicht beeindrucken zu lassen. Dr. Raheb ist jetzt seit 24 Jahren Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde zu Bethlehem, Direktor eines von ihm aufgebauten Bildungswerkes vor Ort und seit einiger Zeit auch Präses der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land. Er vertritt eine durch und durch lutherische Theologie, versteht allerdings auch zu provozieren. Die Sätze, die Ihnen geschickt wurden und aus dem Zusammenhang eines längeren Vortrages genommen sind, spielen an auf die Thesen, die der Tel-Aviver Geschichtsprofessor Dr. Shlomo Sand (Die Erfindung des Jüdischen Volkes. Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand, 2008 auf Hebräisch und 2010 auf Deutsch), veröffentlicht hat. Das Buch hat eine sehr breite Aufnahme gefunden und wurde – zumal in Israel – sehr kontrovers diskutiert. (Über die Diskussion informiert sehr gut der entsprechende Wikipedia-Artikel.)
Im Gegensatz zu dem Artikel der Jerusalem Post vom vergangenen Montag (Benjamin Weinthal, Former German president to honor anti-Semitic pastor) hat Dr. Raheb niemals das Recht des jüdischen Volkes bestritten, in Israel präsent zu sein, niemals hat er eine extremistische politische Agenda verfolgt, niemals hat er antisemitische Aussagen getätigt. Alles dies ist aus den Schriften von Dr. Raheb nicht zu belegen. Von Anbeginn seiner Tätigkeit an tritt er für die Wahrung der Menschenwürde jedes Menschen ein und sucht eine Lösungen des Konfliktes durch Dialog. Allerdings hält er gewaltlosen Widerstand in diesem Zusammenhang für geboten.
Das so genannte „Kairos-Palästina-Dokument’“, das Dr. Raheb wesentlich mitverantwortet, bringt diesen Sachverhalt in folgenden Formulierungen (4.25) auf den Punkt: „Der Widerstand gegen das Übel der Besatzung ist demnach eingebettet in die christliche Liebe, die das Böse ablehnt und es zu heilen sucht. Sie widersteht dem Bösen in allen seinen Formen mit Methoden, die dem Grundsatz der Liebe entsprechen, und setzt alle Kräfte in Bewegung, um Frieden zu stiften. Wir können auch durch Zivilen Ungehorsam Widerstand leisten. Wir sollen nicht Widerstand leisten, indem wir Tod bringen, sondern viel mehr, indem wir das Leben schützen.“
Auch wenn in dem Papier Sätze stehen, denen wir von unserem Standpunkt aus widersprechen müssen (siehe Stellungnahme des Jerusalemsvereins zum Kairos Palästina-Dokument) stehen wir in Solidarität zu unseren christlichen palästinensischen Geschwistern. Was Dr. Raheb betrifft, kann ich mich persönlich für seine Integrität verbürgen, der ich ihn seit seinem 17. Lebensjahr kenne.
Ich habe 1980/81 mein Vikariat an der Evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem gemacht und in dieser Zeit den Abiturienten Raheb kennen gelernt und ihn schließlich auch zu einem Stipendium für das Theologiestudium in Deutschland verholfen. Gerade weil ich wie kaum ein anderer seinen Lebensweg überblicken kann, darf ich wohl mit allem Recht feststellen, dass Dr. Raheb die Auszeichnung gemeinsam mit den drei anderen Preisträgern durch den Deutschen Medienpreis verdient hat. Er ist eine zutiefst vom christlichen Glauben in evangelisch-lutherischer Tradition geprägte Persönlichkeit, die es wagt, Kritikwürdiges beim Namen zu nennen, aber gleichzeitig Wege zur Lösung von Konflikten nur durch Dialog, auf friedlichem Wege und gewaltlos anstrebt.
Ich würde mich freuen, wenn Ihnen diese Informationen bei der Gesamteinschätzung der Persönlichkeit von Dr. Raheb helfen würden.
gez. Dr. Hans-Jürgen Abromeit
Vorsitzender des Jerusalemsvereins
und Bischof der Pommerschen Ev. Kirche