04.04.2025 |Die Existenz von vier Familien – zerstört in weniger als zwei Stunden, nur weil sie sich im C-Gebiet der Westbank befinden. Eine EAPPI-Teilnehmerin berichtet.
“Wenigstens ist es jetzt vorbei“ – so reagiert Abu Omar* auf die Zerstörung des Hauses seiner Tochter. „Irgendwo ist das eine Erleichterung“, sagt er, „jetzt fragen wir uns wenigstens nicht mehr jeden Tag, ob es heute soweit ist, leben nicht mehr in ständiger Unsicherheit.“
Abu Omar erzählt uns vom Ablauf der Zerstörung. Am frühen Morgen klopfte die israelische Armee an der Tür. Die Kinder schliefen noch. Bitten, der Mutter Zeit zu geben, um sich zu verschleiern, wurden ignoriert. Der Familienvater sei von Soldaten zu Boden geschupst worden, stieß sich an der Couch. Dann fingen israelische Arbeiter an, Möbel aus dem Haus zu tragen. Hinterher habe die Familie festgestellt, dass Gold und der Schmuck der Mutter nicht mehr auffindbar waren, so Abu Omar.
15 Minuten später fingen die Bulldozer an, das Haus einzureißen, eine halbe Stunde und es stand nicht mehr. Acht Jahre haben sie hier gewohnt, zwei Kinder lebten hier. Es gab eine Terrasse mit Brunnen, viele Pflanzen – ein gemütliches Zuhause für eine kleine Familie. Davon ist jetzt nichts mehr übrig. Die Familie klettert durch das Geröll, sucht nach Gegenständen, die noch verwendbar sind. Gleichzeitig werden Möbel und Taschen auf einen Transporter geladen, um sie andernorts unterzustellen. Effizienz als Copingstrategie. Uns wird Kaffee aus einer Thermoskanne gereicht, dazu Falafel und Brot, irgendwoher kommt noch eine Glasschale mit Süßigkeiten – palästinensische Gastfreundschaft inmitten der zerstörten Existenz. Abu Omar deutet auf einen Haufen Restmüllsäcke auf der Terrasse, mindestens 20 Säcke müssen das sein. „Die haben sie hier abgeladen, bevor sie das Haus abgerissen haben“ erzählt er uns. Eine zusätzliche Demütigung in einer ohnehin vulnerablen Situation.
Das wir so kurz nach der Zerstörung vor Ort sind und die Familie noch antreffen, ist eher Zufall. Eigentlich waren wir heute morgen auf dem Weg nach Al Jiftlik, doch dann kam der Anruf von einem Kontakt: Bulldozer und Armee in Ein ad Duyuk at Tahta, einem Dorf an Jerichos westlichem Stadtrand. Wir drehen um und fahren zu Ahmad*. Vor zwei Wochen hatte er eine Abrissverfügung für die Grundstücksmauer sowie für einen dem Wohngebäude einige Meter vorgelagerten Schuppen erhalten. In diesem hatte Ahmad geschlafen, um schnellstmöglich reagieren zu können, wenn nachts Siedler oder Soldat:innen das Grundstück betraten. Gegen die Abrissverfügung hatte er Einspruch vor Gericht eingelegt, der Fall war noch nicht entschieden. Trotzdem liegt vor ihm jetzt nur noch Schutt. „Uns wurde nicht erlaubt mit den Soldaten und Arbeitern zu sprechen, wir hatten keine Chance“, bedauert Ahmad. „Als ich es trotzdem versucht habe, hat ein Soldat sein Maschinengewehr auf meine Brust gelegt. Ich habe ihm gesagt ‘Bitte dann bring mich jetzt um, ist mir egal, aber ich werde nicht wegschauen, während ihr meinen Besitz zerstört‘.“
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Mily, im März 2025
* Namen geändert
Foto: Was übrig bleibt – Ein Transporter bringt Habseligkeiten von Abu Omars Tochter in Sicherheit; Foto © WCC-EAPPI/Mily