Im Oktober ist Matthias Blümel satzungsgemäß aus dem Vorstand des Jerusalemsvereins ausgeschieden, weil altersbedingt keine Wiederwahl mehr möglich war. Seit 44 Jahren ist Blümel im Verein aktiv, davon 30 Jahre im Vorstand und 16 Jahre als stellvertretender Vorsitzender.
Vermutlich wird es im Jerusalemsverein nur noch wenige Mitglieder geben, die sich an eine Zeit erinnern können, in der Matthias Blümel sich noch nicht für den und in dem Verein engagierte. Und Matthias Blümel selbst ist inzwischen einer der wenigen im Verein, die für längere Zeit im Heiligen Land gearbeitet und gelebt haben. Ja, er ist sogar eine der inzwischen seltenen Koryphäen, die in Israel und Palästina für die evangelische Kirche tätig waren – und daher die Partner des Vereins aus einer gewissen Innenansicht kennen.
Der 1950 in Hildesheim geborene Matthias Blümel ist im Pfarrhaus aufgewachsen. Er studierte Theologie in Bethel, Heidelberg und Göttingen. Als Vikar der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig führte ihn der berufliche Weg zunächst nach Vorsfelde (bei Wolfsburg) und dann an die Erlöserkirche in Jerusalem. Er begegnete in Israel einem lebendigen, vielfältigen Judentum. In Ostjerusalem und im Westjordanland erlebte er eine arabische Gesellschaft, die sich in den 1970er Jahren in einer neuen Besatzungssituation fand. Neben der Situation der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde prägte ihn daher auch die Gemeinschaft mit der palästinensischen lutherischen Kirche (damals noch ELCJ). Und die reiche Ökumene Jerusalems beeindruckte ihn.
Die Eindrücke und Erfahrungen dieser Zeit wirkten nach: auf seinem weiteren beruflichen Weg und bis in die Gegenwart. Blümel engagierte sich ehrenamtlich als Vertrauenspfarrer des Jerusalemsvereins in der Landeskirche Braunschweig – ein Amt, das er bis heute ausübt und auch künftig ausüben wird. Damit ist er inzwischen unser dienstältester Vertrauensmann. So schwang Anerkennung mit, als eine Mitarbeiterin des Berliner Missionswerkes auf die Frage, seit wann denn Herr Blümel sich in dieser Weise für dem Verein einsetze, spaßhaft entgegnete: „Seit dem Pleistozän“.
Beruflich führte ihn die erste Pfarrstelle nach dem Vikariat wieder nach Vorsfelde. 1985 wechselte er als persönlicher Referent des Bischofs in das Landeskirchenamt in Wolfenbüttel. Im Oktober 1990 wurde Matthias Blümel dann zum Propst der Propstei Vorsfelde gewählt. Er verblieb auf dieser Position bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2016.
Vor 30 Jahren, im Herbst 1991, wurde Propst Blümel in den Vorstand des Jerusalemsvereins berufen. Sein Engagement und seine Sachkenntnis führten dazu, dass er nach einigen Jahren zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde. Als solcher wurde er mehrfach wiedergewählt: ein Ausdruck hohen Vertrauens. Als Delegierter des Vereinsvorstands wirkte Blümel viele Jahre im Leitungsgremium des Berliner Misssionswerkes, dem Missionsrat, sowie in der Evangelischen Mittelost-Kommission (EMOK) mit – dem Fach-Beratungsgremium auf Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Auch hier überzeugte Matthias Blümel aufgrund seiner Kompetenz und seines großen persönlichen Engagements: Er wurde in den Vorstand – den Exekutivausschuss – gewählt. So wirkte er an wichtigen EMOK-Stellungnahmen der vergangenen Jahre mit: auch an der grundsätzlichen Positionsbestimmung der evangelischen Kirche zu Israel/Palästina, die sich von allen deutschen Landeskirchen zu Eigen gemacht wurde.
Aber Matthias Blümels ökumenisches Interesse sowie sein Engagement beschränken sich nicht auf das Heilige Land und den Nahen Osten. So arbeitete er in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) sowohl lokal in Wolfsburg wie auch regional in Niedersachsen mit – und bekam dabei auf Landesebene den Vorsitz anvertraut. Zudem engagierte er sich in der christlich-jüdischen Gesellschaft seiner Heimatregion.
Wer ihm persönlich begegnet, merkt schnell, dass er vom Geist der Ökumene und der internationalen Arbeit erfüllt ist. Über all die Jahre hat sich Matthias Blümel seine Neugier bewahrt. Er fragt nach mit dem Ansinnen, Zusammenhänge besser verstehen und Vorgänge kompetent begleiten zu können. Es geht ihm darum, Beschlüsse sachgerecht, zielgerichtet und in Kenntnis verschiedener Perspektiven zu fällen – und anderen Menschen verständnisvoll nahe zu sein.
Deshalb sind wir sehr froh, dass Matthias Blümel auch nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand der aktiven Vereinsarbeit verbunden bleibt.
Jens Nieper
Matthias Blümel blickt zurück:
„Sie sind jetzt wohl der Dinosaurier im Jerusalemsverein“, sagte vor einiger Zeit jemand in Berlin zu mir. Ob ich das bin, weiß ich nicht. Fakt ist, dass ich seit 1977 – nachdem ich meine Vikariatszeit in Jerusalem beendet hatte – Mitglied im Jerusalemsverein und ebenso lange auch „Vertrauenspfarrer“ bin, wie es damals noch hieß. In Jerusalem habe ich unterschiedliche Religionen, Kirchen und Konfessionen kennengelernt, vor allem aber die arabischen evangelischen Christinnen und Christen. Zu ihnen hat der Jerusalemsverein – geschichtlich bedingt – eine besondere Beziehung. „Nur wer einander kennt, kann einander näherkommen.“ Diese Tatsache ist Ausgangspunkt und Ziel meines Engagements im und für den Jerusalemsverein.
Wenn ich heute auf die letzten vier Jahrzehnte zurückblicke, hat es unzählige Möglichkeiten gegeben, in denen ich über die Christ:innen in und um Jerusalem informieren und Sprachrohr für sie sowie ihre schwierige Situation sein konnte. Alle zwei bis drei Jahre organisierte ich eine Gruppenreise ins Heilige Land. Die Begegnungen mit Gemeindemitgliedern der dortigen evangelischen Kirchengemeinden hat das Verständnis füreinander und das Vertrauen zueinander wachsen lassen. Mir persönlich haben diese Besuche den Horizont geweitet und die Nöte der zunehmend weniger werdenden Christ:innen im Land der Bibel gezeigt.
Eine Horizonterweiterung war für mich auch die Mitarbeit in den Gremien, in denen ich den Jerusalemsverein vertreten habe. Mein Mitwirken habe ich niemals als Last empfunden, obwohl es neben den überwiegend positiven Erlebnissen auch belastende Situationen gab. Durch den Jerusalemsverein habe ich viele Freunde gefunden – sowohl im Heiligen Land als auch hierzulande. Diese begleiten mich kritisch in meinem Engagement für den Frieden im Land der Bibel. Ohne sie und ohne den Jerusalemsverein wäre mein persönliches und berufliches Leben um vieles ärmer.