Israel/Palästina: Zukunft der Christen – zionistisch oder indigen?

13.03.2023 | Welche Christen haben im Heiligen Land eine Zukunft – evangelikale christliche Zionisten aus aller Welt oder die einheimischen Konfessionen?

Für manchen mag dies exotisch klingen – aber in pietistisch-evangelikal geprägten Gegenden wie bei uns im Siegerland spielt der so genannte christliche Zionismus eine große Rolle. Siegerländer Pilgergruppen aus so geprägten Gemeinden reisen bewusst nach „Judäa und Samaria“ (also in das von Israel besetzte Westjordanland), um den dortigen jüdischen Siedlungsbau zu unterstützen. Denn sie glauben, dass Christus dann wiederkommen wird, wenn alle Juden in das ihnen verheißene Land zurückgekehrt sind. Eine Vorstellung, die den Nahostkonflikt als Teil der apokalyptischen Schlacht bei Harmagedon versteht (Offenbarung des Johannes, Kapitel 16) und daher keinen Sinn für die Befriedung des Heiligen Landes hat.

Christlicher Zionismus: Fragwürdige Sicht aufs Judentum

Nun ist der christliche Zionismus keine Merkwürdigkeit aus dem provinziellen Siegerland. Sondern er ist besonders in den USA stark verbreitet und hat etwa die Israel-Politik des früheren Präsidenten donald Trump bestimmt. Und er nimmt weltweit mit dem Anwachsen evangelikaler Kirchen stark zu. Eine bekannte Institution, die auch in Deutschland kräftig um Spenden wirbt, ist etwa die „Internationale Christliche Botschaft Jerusalem“. Im christlich-zionistischen Denken kommen nichtjüdische einheimische Bevölkerungsgruppen wie die palästinensischen Christen nicht vor. Thema ist einzig und allein die Einnahme des verheißenen Landes durch die Juden. Dabei geht es dem christlichen Zionismus nicht wirklich um das Judentum. Von einem eigenständigen jüdischen Heilsweg ist nicht die Rede. Vielmehr wird letzten Endes die Bekehrung aller Juden zu Jesus Christus erwartet. Die Evangelische Mittelost-Kommission (EMOK) weist diese Lehre zurück:

Der „christliche Zionismus” sieht im Staat Israel und im Judentum nur Instrumente zur Herbeiführung eschatologischer Geschehnisse. Dem Judentum wird kein eigenständiger Wert zugestanden. Das Recht einer jüdischen Existenz in der Diaspora wird bestritten. Dies widerspricht den Grundsätzen des christlich-jüdischen Dialogs, zu dem sich die EKD und ihre Gliedkirchen bekennen.

Zionisten stellen friedliches Zusammenlaben in Israel/Palästina infrage

Fragt man die palästinensischen Christen im Heiligen Land, so empfinden sie den christlichen Zionismus aufgrund seines weltweiten Einflusses deutlich als Bedrohung, denn er stellt sowohl die Existenz christlicher Kirchen im Heiligen Land überhaupt in Frage als auch deren mühevolles Engagement für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen in Israel und Palästina.

Vor diesem Hintergrund wäre durchaus zu fragen, welche Christen denn im Heiligen Land eine Zukunft haben werden oder sollten – evangelikale christliche Zionisten aus aller Welt oder die einheimischen Konfessionen? Die evangelischen Christen in unserer Partnerkirche ELCJHL, ebenso wie weitere christliche Kirchen und Gemeinden im Heiligen Land, spekulieren nicht über apokalyptische Vorgänge. Sie nehmen sich mit großem Einsatz der Aufgaben der Nächstenliebe an, die ihnen direkt vor Augen stehen.

Ich meine: Das Heilige Land braucht in einer Zeit, in der sich sowohl auf israelischer wie auf palästinensischer Seite immer mehr Menschen radikalisieren, diejenigen Christen, die sich gemeinsam mit liberalen Juden und Muslimen für einen gerechten Frieden einsetzen. So werbe ich als Vertrauenspfarrerin des Jerusalemsvereins im Siegerland dafür, diese Christen zu besuchen und zu unterstützen, so gut es geht.

Annegret Mayr, Siegen, Vertrauenspfarrerin des Jerusalemsvereins