ELCJHL: Rückblick auf ein schwieriges Jahr

07.03.2025 | Bischof Dr. Sani Ibrahim Azar berichtete am 1. März vor dem Vorstand und den Vertrauensleuten des Jerusalemsvereins über die Arbeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land im Jahr 2024.

Salam, Friede sei mit euch. Ich überbringe euch herzliche Grüße aus der Heiligen Stadt Jerusalem. Wie ihr wisst, erleben wir im Heiligen Land nun seit eineinhalb Jahren Krieg. Christen und Kirchen im Heiligen Land, einschließlich der ELCJHL, stehen vor einer existenziellen Krise. Wir haben die verheerenden Auswirkungen der Zerstörung und des Todes im Gazastreifen fast 18 Monate lang miterlebt, während die Menschen im Westjordanland und in Jerusalem täglich zunehmender Gewalt ausgesetzt sind.

Mit der verstärkten militärischen Präsenz Israels im Westjordanland wurden Zehntausende vertrieben. Viele weitere sind Angriffen bewaffneter Siedler ausgesetzt. Unsere Mitarbeitenden riskieren ihre Sicherheit, um ins Büro zu kommen, und einige dürfen Jerusalem gar nicht mehr betreten. Alle unsere Dienste spüren die negativen Auswirkungen neuer Kontrollpunkte im Westjordanland, die die Reise zwischen den Städten erheblich erschweren.

Dutzende christlicher Familien haben das Land im vergangenen Jahr verlassen, und weitere planen bereits ihre Ausreise. Trotz all dieser Herausforderungen setzt unsere Kirche ihre Mission fort, Gottes Volk durch unsere Gemeinden, Bildungsarbeit, diakonische Dienste und mehr zu dienen. Trotz unserer Ängste um die Zukunft vertrauen wir auf unseren Glauben an Christus, der uns trägt, während wir einander unterstützen.

Finanzielle Lage

Nach fast eineinhalb Jahren Krieg ist die finanzielle Situation katastrophal. Viele Palästinenser sind auf Arbeit in Jerusalem angewiesen, erhalten jedoch seit Ende 2023 keine Arbeitsgenehmigungen mehr. Der Tourismus ist völlig zum Erliegen gekommen, was Regionen, die von diesem Einkommen abhängig sind, schwer getroffen hat – insbesondere Bethlehem. Bis zu 75 Prozent der Menschen sind ohne Einkommen.

Diejenigen, die Ersparnisse hatten, haben diese nach 18 Monaten weitgehend aufgebraucht. Wir erleben vermehrt Hilfsanfragen von Familien, die zuvor finanziell abgesichert waren – auch aus der christlichen und lutherischen Gemeinschaft. Dies hat die Arbeit der Kirche stark beeinflusst. Viele Gemeindemitglieder wenden sich an die Kirche um Unterstützung. Unsere diakonische Arbeit war noch nie so gefordert wie jetzt.

Viele Familien an den lutherischen Schulen müssen sich zwischen dem Kauf von Lebensmitteln und der Zahlung von Schulgebühren entscheiden. Unsere Politik besagt, dass kein Schüler vom Unterricht ausgeschlossen wird, wenn er nicht zahlen kann – dies belastet jedoch unsere Ressourcen erheblich. Wir sind auf Unterstützung angewiesen, um die fehlenden Schulgebühren auszugleichen. In dieser schwierigen Zeit haben wir weder Lehrkräfte noch andere Mitarbeitende entlassen und weiterhin alle Gehälter gezahlt, obwohl kaum Einnahmen vorhanden sind. Wir sind unseren großzügigen Partnern sehr dankbar, die uns geholfen haben, dies zu ermöglichen.

Gemeinden und Jugendarbeit

Unsere sechs Gemeinden setzen ihren Dienst trotz der schwierigen Umstände fort. Wie bereits erwähnt, hat die Abwanderung von Christen auch unsere Gemeinden betroffen. Einige unserer Gemeindemitglieder haben während des Krieges Familienangehörige in Gaza verloren. Da sich die finanzielle Situation weiter verschlechtert, kämpfen viele Familien, die zuvor stabil waren, nun mit der Deckung ihrer Grundbedürfnisse. Manchmal haben unsere Pfarrer sogar aus eigener Tasche Gemeindemitgliedern geholfen.

Unsere Pastoren halten weiterhin wöchentliche Gottesdienste, Bibelstunden und andere geistliche Angebote ab. Wann immer es die Sicherheit und die finanziellen Mittel zulassen, werden auch besondere Aktivitäten wie Einkehrtage oder Kurztrips organisiert. Diese Veranstaltungen und weitere psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen sind entscheidend für die psychische Gesundheit unserer Gemeinschaft in dieser belastenden und traumatischen Zeit.

Wir befinden uns auch in einer Übergangsphase, da unsere Pastoren sich auf neue Einsätze innerhalb der Kirche im Jahr 2025 vorbereiten.

Der Krieg hat insbesondere die Jugend stark getroffen. Junge Palästinenser fürchten um ihre Zukunft und fühlen sich oft ohne Perspektiven in ihrem Heimatland. Unsere Jugendarbeit hat sich darauf konzentriert, ihre Bindung zur Kirche, zum Land und untereinander zu stärken:

  • Die Jugendarbeit organisierte 2024 Aktivitäten für über 300 Jugendliche.
  • Sechs Jugendliche, jeweils einer aus jeder Gemeinde, reisten im Rahmen des Crossroads-Programms nach Schweden und trafen dort auf lutherische Jugendliche aus Schweden und Mosambik.
  • Drei Jugendcamps für insgesamt 208 Jugendliche wurden durchgeführt.
  • 11 Jugendliche und Jugendleiter reisten nach Schweden zur 150-Jahr-Feier vom kirchlichen Hilfswerk Act Church of Sweden.
  • In Zusammenarbeit mit der Diakonie wurde ein besonderer Adventsgottesdienst für Jugendliche organisiert, an dem 87 Jugendliche aus fünf palästinensischen Gemeinden teilnahmen.

Diakonische Arbeit

Unsere diakonische Arbeit war im vergangenen Jahr eine der wichtigsten Aufgaben der Kirche. Im November wurde das Diakoniezentrum renoviert, um Raum für zusätzliche Programme zu schaffen, darunter eine warme Mahlzeitenverteilung für bedürftige Familien. Da der Krieg nun fast 18 Monate andauert, steigt der Bedarf an Unterstützung stetig.

Im Jahr 2024

  • erhielten über 100 Personen direkte finanzielle Unterstützung für medizinische Kosten.
  • wurden über 250 Familien regelmäßig mit Lebensmittelhilfe versorgt.
  • wurden 96 Schülerinnen und Schüler durch Schulgebührenhilfe unterstützt.
  • fanden über 50 psychosoziale Entlastungssitzungen in Kooperation mit dem Bildungsministerium statt.
  • erhielten über 275 Familien (mehr als 1000 Personen) Essensgutscheine für die Weihnachtsfeiertage.

Geschlechtergerechtigkeit

Trotz der schwierigen Lage hat unser Gender-Justice-Dienst weiterhin Programme für Frauen, Männer und Jugendliche organisiert. Reisebeschränkungen haben gemeinsame Aktivitäten erschwert, aber es wurde eine psychosoziale Unterstützungsreihe für jede Gemeinde gestartet:

  • 40 Veranstaltungen mit insgesamt etwa 915 Teilnehmenden (davon 756 Frauen und 159 Männer) wurden durchgeführt.
  • In jeder Gemeinde wurden psychosoziale Unterstützungsangebote für über 100 Teilnehmende organisiert.
  • Die fünfte Jahreskonferenz für Geschlechtergerechtigkeit wurde abgehalten – die größte bisher – mit Beteiligung hochrangiger offizieller und religiöser Vertreterinnen und Vertreter.
  • Advocacy-Materialien zu Themen wie Sorgerecht und Unterhalt, die sowohl Christen als auch Muslime betreffen, wurden entwickelt und sollen langfristig im Rechtssystem genutzt werden.

Umweltschutz

Unser Umweltschutzprogramm hat seine Bildungsarbeit fortgesetzt, um Schülerinnen und Schüler für den Schutz der Schöpfung zu sensibilisieren. Ein besonderer Fokus lag 2024 auf Umweltgerechtigkeit angesichts der zunehmenden Landzerstörung und Enteignung in Gaza und im Westjordanland.

Weitere Schwerpunkte waren:

  • regelmäßige Umweltaktivitäten in allen lutherischen Schulen,
  • zwei große Jahresabschlusskonferenzen mit Regierungs-, Religions- und Gemeindeführern,
  • und die Fortsetzung der Vogelberingung und -beobachtung sowie Bildungsprogramme über den Vogelzug in Palästina.

Bildung

Unsere Schulen blieben 2024 trotz aller Herausforderungen geöffnet. Wie bereits erwähnt, wurden keine Lehrkräfte oder Mitarbeitende entlassen. Eltern, Schüler und Lehrkräfte sind insgesamt zufrieden mit der Fortführung des Schulbetriebs. Viele außerschulische Aktivitäten mit Fokus auf psychosoziale Unterstützung für Schüler, Eltern und Lehrkräfte wurden angeboten.

Solidaritätsbesuche

Die Unterstützung, Solidarität und Gebete unserer Partner waren im vergangenen Jahr ein essenzieller Bestandteil unseres Durchhaltens. Wir sind dankbar für alle, die uns durch Besuche ihre Unterstützung gezeigt haben, und hoffen, dass noch mehr lutherische Geschwister aus Deutschland bald ins Heilige Land kommen werden.

Wir sind ein Leib in Christus, und wir bitten unsere Partner, an unserer Seite zu stehen, während wir auf unserem Land verbleiben und Gottes Volk dienen.

Bischof Dr. Sani Ibrahim Azar

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Foto: Gerd Herzog/Berliner Missionswerk