Im Rahmen des 168. Jahresfests des Jerusalemsvereins fand ein interreligiöser und interkultureller Gottesdienst in Gebärdensprache statt, in dem der neun in Hanau ermordeten Menschen gedacht wurde.
Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovic, Vili Viorel Paun, Fatih Saraçoglu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov: Auf dem Altar der Kapelle der evangelischen Kaiser-Wilhelm-Gedächtnisgemeinde am Breitscheidplatz standen Kerzen und Namensschilder für die neun Menschen, die am 19. Februar in Hanau ermordet worden sind.
Dr. Roland Krusche, Pfarrer der Gehörlosen- und Schwerhörigenseelsorge der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), hatte zu dem Gottesdienst in Gebärdensprache am Sonntag Estomihi, 23. Februar, eingeladen. Geplant war eine Begegnung seiner deutschen Gemeinde mit dem arabischen Pfarrer Fursan Zumot, der neben der Jerusalemer Gemeinde der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL) auch die erste ökumenische Gehörlosen-Community Palästinas betreut.
Doch nach den rassistisch motivierten Morden von Hanau wollte Pfarrer Krusche ein Zeichen setzen. Er lud neben dem arabisch-lutherischen Pastor auch VertreterInnen der muslimischen Gehörlosen-Community Berlins zum Gottesdienst ein. Yasemin Dogan betreut diese Gemeinde, die bislang noch nicht institutionell verankert ist. Sie gestaltete den Gottesdienst mit, indem sie ein Impuls-Gebet gebärdete und es gleichzeitig leise sprechend vortrug.
Sie sei in Tränen ausgebrochen, als die Presse erstmals über die Morde in Hanau berichtete. Dass die Tat einen rassistischen Hintergrund habe, sei ihr im ersten Moment noch nicht klar gewesen, so Dogan. „Jedes einzelne menschliche Leben ist so kostbar“, sagte sie. „Wie sollen die Angehörigen der Ermordeten nach so einer Tat weiterleben?“
Es gäbe immer mehr aggressiven Rassismus – in der deutschen Gesellschaft und auch in anderen Ländern. „Ich habe entschieden, dennoch im Herzen offen zu bleiben. Wir sind alle unterschiedlich, aber ich glaube, ein gutes Zusammenleben ist möglich“, erklärte Dogan. „Ich wünsche mir Frieden auf Erden. Allein kann ich das nicht erreichen, aber ich kann mich mit anderen Menschen austauschen und mich mit ihnen gemeinsam dafür einsetzen.“
Pastor Fursan Zumot ging in seiner Predigt auf die Frage nach dem guten Miteinander angesichts religiöser und kultureller Verschiedenheit ein. Anders als viele Menschen im Westen halte er nicht die unterschiedlichen Religionen an sich für das entscheidende Problem im Nahostkonflikt, erklärte er. „Wir drei Religionen leben in Jerusalem gut zusammen. Zu meinen engsten Freunden gehören Rabbiner und Imame“. Es sei verkehrt, einen Glauben über den anderen zu stellen.
„Jeder Glaube hat seinen Zugang zu Gott, da gibt es kein richtig oder falsch“, sagte Zumot. „Mehr noch: Jeder Mensch findet und lebt seinen eigenen Zugang zu Gott. Es gibt auf der ganzen Welt also mehr als 7 Milliarden völlig verschiedene Wege. Und sie alle haben ihre Berechtigung und ihren Wert.“ Geeint seien die drei monotheistischen Religionen unter anderem durch eines der wichtigsten göttlichen Gebote an den Menschen, so der Pfarrer. „Es steht in der Thora, in der Bibel und im Koran: Du sollst nicht töten!“
Da sich die deutsche und die arabische Gebärdensprache voneinander unterscheiden, hielt Fursan Zumot seine Predigt in englischer Lautsprache. Gemeindehelferin Elisabeth Anderson übersetzte die Predigt für die etwa 40 gehörlosen Gemeindemitglieder, die am Gottesdienst teilnahmen, in deutsche Gebärdensprache. Die Lieder wurden vom Gebärdenchor gestaltet und die Fürbitten wurden von den GemeindehelferInnen gebärdet. Es war ein eindrucksvoller, bewegender und sehr einmütiger Gottesdienst.