Starke Frauen beim 169. Jahresfest

Am 1. Mai fand das Jahresfest des Jerusalemsvereins erstmals in der Kreuzberger Passionskirche statt: mit einem Gottesdienst in deutscher, arabischer und hebräischer Sprache und einer Diskussion mit zwei jungen palästinensischen Frauen am Festnachmittag.

In der arabischen Sprache gebe es kein weibliches Pendant zum Pfarrer, erklärte Sally Azar, „das Wort Pastorin existiert bisher nicht“. Vermutlich wird sie selbst dazu beitragen, dass sich dies künftig ändert: Die 25-jährige Palästinenserin möchte als erste Frau Gemeindepfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL) werden. Derzeit ist Sally Azar, die Theologie in Beirut, Göttingen und Hermannsburg studiert hat, Vikarin in Berlin-Frohnau.

Rania Salsaa, Lehrerin für Deutsch und Geschichte in Talitha Kumi, betrachtete es als einen „Hoffnungsschimmer“, dass Vikarin Sally Azar das Pfarramt in Palästina anstrebt – trotz gesellschaftlicher Widerstände und Vorbehalte. „Die Frauenquote ist bei uns insgesamt noch immer viel zu niedrig“, kritisierte Rania Salsaa. Das hätten auch die Kommunalwahlen vor Augen geführt, die erst kürzlich in der Westbank stattfanden. „Zudem hat es leider in den letzten beiden Jahren während der Coronapandemie vermehrt häusliche Gewalt gegen Frauen gegeben, das haben Frauenrechtsorganisationen dokumentiert“.

Beide Frauen diskutierten während des Festnachmittags mit Sybille Möller-Fiedler, einer der beiden stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des Jerusalemsvereins. Die Diskussion können Sie hier als Video auf Youtube ansehen.


Mit Klick auf den Wiedergabe-Button erteilen Sie Ihre Einwilligung, dass Youtube Cookies setzt.

Bischof Azar: Starke Frauen in der ELCJHL

Zuvor berichtete Bischof Sani Ibrahim Azar von aktuellen Entwicklungen und den laufenden Projekten der ELCJHL.  Auch auf das Thema Geschlechtergerechtigkeit ging er ein: Diese sei ein zentrales Anliegen der arabisch-lutherischen Kirche. Dabei verwies Bischof Azar auf das 2015  von der ELCJHL verabschiedete Familienrecht, das die Gleichberechtigung von Frauen und Männern bei Erbschaften, beim Sorgerecht für die Kinder und im Fall einer Ehescheidung gesetzlich verankert hat. Diese Regelung sei in der palästinensischen Gesellschaft keine Selbstverständlichkeit, sondern noch immer eine Ausnahme.


Mit Klick auf den Wiedergabe-Button erteilen Sie Ihre Einwilligung, dass Youtube Cookies setzt.

Schulleiter Matthias Wolf berichtet aus Talitha Kumi

Matthias Wolf, der Schulleiter Talitha Kumis, gab in seinem Vortrag einen Einblick in die derzeitige Lage am Schulzentrum, die teilweise von Umbrüchen geprägt ist: „Vom Internat in Talitha Kumi mussten wir uns schweren Herzens verabschieden, doch die Förderung von Mädchen bleibt weiterhin ein wichtiger Kern unserer Arbeit. Mit dem neuen Mädchensozialfonds intensivieren wir Förderkonzepte für Mädchen und junge Frauen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. So bieten wir seit kurzem eine Nachmittagsbetreuung an. In diesem geschützten Raum einer kleinen Gruppe kann jedes der Mädchen individuell begleitet und gestärkt werden.“


Mit Klick auf den Wiedergabe-Button erteilen Sie Ihre Einwilligung, dass Youtube Cookies setzt.

Insgesamt war das 169. Jahresfest des Jerusalemsvereins von Aufbruchstimmung geprägt: Durch den neuen Nahostreferenten des Berliner Missionswerkes und Geschäftsführer des Jerusalemsvereins, Pfarrer Dr. Simon Kuntze, und den seit Oktober amtierenden Vorstandsvorsitzenden des Vereins, Oberkirchenrat Wolfgang Schmidt. Durch das von Sybille Möller-Fiedler initiierte Diskussionsformat.

Durch die Stimmen von Sally Azar und Rania Salsaa, die gesellschaftliche Entwicklungen in Palästina aufzeigten und dabei ihre persönlichen Perspektiven und Erfahrungen einbrachten. Durch die Predigt von Barbara Deml, der stellvertretenden Direktorin des Berliner Missionswerkes und Landeskirchlichen Pfarrerin für Ökumene und Weltmission. Und auch durch den anderen Festort in der Passionskirche in Kreuzberg, wo dieses Mal sowohl der Gottesdienst als auch der Festnachmittag stattfanden.

Bei allem Neubeginn bleibt jedoch auch Bestand: Der 1. Mai als Festdatum war der Pandemie geschuldet. Das 170. Jahresfest des Jerusalemsvereins wird im kommenden Jahr wieder wie gewohnt am Sonntag Estomihi stattfinden: am 19. Februar 2023. Sie sind herzlich eingeladen!